“Ich geh’ gern in einer fremden Stadt auf den Friedhof, so ein Friedhof hat etwas Gastfreundliches und steht allen offen: Manchem nur für seine Mittagszeit, Manchem für die ganze Ewigkeit” *
Der Zentralfriedhof im Grazer Bezirk Gries ist ein markanter Punkt des Stadtbilds. Und er sorgte zur Zeit seiner Entstehung am Ende des 19. Jahrhundert für Aufruhr und Widerstand in Graz.
Denn der Plan anstelle der Friedhöfe St. Leonhard, St. Peter und am Steinfeld, den Zentralfriedhof am Stadtrand anzulegen wurde von der Bevölkerung und der katholischen Kirche gar nicht gut angenommen.
Die Idee der Grazer Stadtpolitiker stieß auf harten Widerstand der katholischen Kirche und der Stadtbewohner – schließlich wurden damals nur Verbrecher, Selbstmörder, Aussätzige und “Unehrenhafte” außerhalb der Stadt bestattet.
Die katholische Kirche teilte mit keine Einsegnungen am neuen Friedhof vorzunehmen, woraufhin die Stadt die Verordnung erließ, dass alle Aufbahrungen am neuen Kommunalfriedhof stattzufinden haben. Es folgte eine lange Auseinandersetzung vor Gericht, die schließlich zugunsten der katholischen Pfarren entschieden wurde.
Im Jahr 1894 schließlich wurde der Kommunalfriedhof von der Stadt um 310.000 Gulden an die Stadtpfarre zum Heiligen Blut verkauft. Die Stadt fürchtete nun um die Interkonfessionalität des Zentralfriedhofs und verpflichtet die Pfarre dazu, diese beizubehalten. Somit entstand in Graz eine Besonderheit: ein interkonfessioneller Kommunalfriedhof im Besitz der katholischen Kirche.
Heute sind neben dem Zentralfriedhof noch zwei große Friedhöfe von Graz im Besitz der katholischen Stadtpfarre: der Steinfeldfriedhof und der St. Peter Stadtfriedhof.
Der Zentralfriedhof wurde ab 1886 nach dem Entwurf des Architekten Carl Lauzil im neugotischen Rohziegelbaustil erbaut. Der Friedhof umfasst eine Fläche von 25 ha und ein Wegenetz von 6,5 km. Und dieses Wegenetz wird nicht immer nur für Bestattungen benutzt sondern auch zum Laufen, für Spaziergänge und zum “Gräber schauen”. Und auch die Gebäude des Friedhofs werden für unterschiedliche Zwecke genutzt, so befinden sich am Haupteingang nicht nur Verwaltungsgebäude, sondern im Bau links ist ein städtischer Kindergarten untergebracht.
Die Kirche am Zentralfriedhof
Der Zentralbau mit seinen Kuppeln erinnert an orthodoxe Kirchenbauten des Ostens und war als überkonfessionelle Aussegnungshalle gedacht. 1918 wurde die katholische Heilandskirche zur Kirche “Zum gekreuzigten Heiland, sie war bis 1996 eine eigenständige Pfarrkirche. Heute trägt die Kirche das Patrozinium der Hll. Kyrill und Method und wird von der serbisch- orthodoxen Gemeinde verwendet.
Die Gräber
Am Friedhof finden sich viele Gräber von bekannten Bürgerfamilien, jedoch oft nur wenige Generationen, dann wechselten sie wieder zu ihren angestammten Friedhöfen in der Stadt. Auch Namen wie Hornig oder Mayer- Rieckh fallen einem ins Auge wenn man sich die Gräber ansieht. Viele Ehrengräber der Stadt Graz befinden sich am Zentralfriedhof, wie zum Beispiel die letzte Ruhestätte des Nobelpreisträgers Fritz Pregl, des Formel 1 Piloten Jochen Rindt und des Schriftstellers Karl Morre. Octavia Aigner- Rollett, die 1. praktizierende Ärztin von Graz wurde hier bestattet und auch die letzten Nachkommen von Nannerl Mozart, Henriette und Berta Forschter, fanden ihre letzte Ruhe am Zentralfriedhof.
Ein besonders auffälliges Grab ist das des k. k. Hoftischlermeisters Anton Irschik, dessen Arbeit einem bei einem Spaziergang durch die Altstadt auffällt- von ihm stammt das Portal der Hofbäckerei in der Hofgasse. Sein Grab ist sehr kunstvoll gestaltet und stellt eine verlassene Tischlerwerkstatt dar.
Wie bereits mehrfach erwähnt ist der Zentralfriedhof ein interkonfessioneller Friedhof, das heißt er beherbergt nicht nur katholische Gräber, sondern hat unter anderem auch ein altkatholisches, ein ukrainisches, ein koptisches und ein islamisches Gräberfeld. Für die Urnenbeisetzung findet man nicht nur das Columbarium am Friedhof, sondern auch die sogenannte Himmelsspirale.
Es finden sich neben den Gräbern auch Denkmäler am Friedhof, zum Beispiel seit 1945 eine Gedenkstätte für die im Raum Graz Gefallenen Soldaten der Roten Armee.
Jeden Sonn- und Feiertag findet der Gottesdienst der Serbisch- orthodoxen Gemeinde in der Kirche am Zentralfriedhof statt.
*Reinhard Mey Friedhof
Quellen: Celedin G., Resch W., Kulturführer Graz Kunst, Architektur, Wissenschaft und Literatur (Wien Köln Weimar 2003) 168-170
Engele, R., Damals in Graz Eine Stadt erzählt ihre Geschichte (Graz 2013) 154-157
Kubinzky K. A., Die Reihe Archivbilder Graz (Erfurt 2000) 96, 127
Wagner A., Walk S. (Hrsg.), Architekturführer Graz (Berlin 2019) 234-235
https://stmv1.orf.at/magazin/immergutdrauf/tipps/stories/67533/ [Stand: 27.4.2020]
http://www.stadtpfarrkirche-graz.at/Friedhoefe/Friedhoefe.htm [Stand: 27.4.2020]
http://www.stadtpfarrkirche-graz.at/Start-48/Zentralfriedhof-Graz-Urnenwand-Grabmaele.htm [Stand: 27.4.2020]
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